Boom der Geschäftsflugzeuge: Der globale Verkaufsumsatz dürfte bis 2032 um 50 Prozent wachsen – trotz hoher Emissionen

Die Dassault Falcon 6X für 12 bis 16 Passagiere hat eine Reichweite von über 10’000 Kilometern. Bild: Dassault

Die aktuelle Luftfahrt-Übersicht: Rund 40 Prozent der Flüge mit Privatjets in Europa werden durch private Eigner durchgeführt, weitere 40 Prozent durch Dienstleister für Taxi- und Charterflüge und die restlichen 20 Prozent durch Verschiedene unter anderem durch Regierungen und Ambulanzdienste. Ein Blick auf einen unbekannten Markt.

von Peider Trippi
6. Juni 2024

Der Markt für Geschäftsflugzeuge ist in den letzten zehn Jahren stark gewachsen und wird sich voraussichtlich auch in den kommenden Jahren positiv entwickeln. Mehrere Faktoren tragen zu diesem Marktwachstum bei. Erstens hat die steigende Nachfrage nach globalen Geschäftsreisen, angetrieben durch die Globalisierung von Unternehmen und die Expansion multinationaler Konzerne, den Bedarf an effizienten und flexiblen Transportmöglichkeiten erhöht.

Die Geschäftsfliegerei hat in der Schweiz eine nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Bedeutung. Über 850 multinationale Firmen und internationale Organisationen tragen zur überdurchschnittlichen Nutzung von Business-Jets in der Schweiz bei. Gemäss der Swiss Business Aviation Association generiert die Geschäftsfliegerei über 34’000 direkte und indirekte Arbeitsplätze, die einen Umsatz von rund 15 Milliarden Umsatz generieren. Die hohen technischen Kompetenzen in der Schweiz sind mit ein Grund für erfolgreiche Wartungsfirmen, Ausrüster und Hersteller. Basel ist ein internationaler MRO-Hotspot für grosse Businessjets von Airbus, Boeing, Bombardier, Gulfstream und weiteren Herstellern. Mehrere Tausend Beschäftigte am Euroairport sind in den Bereichen Outfitting und Maintenance tätig.

Während zu Beginn der Covid-19-Pandemie die Verkaufszahlen einbrachen, trat ab 2020 eine Welle von Erstkäufern in den Markt für Geschäftsflugzeuge ein, die in diesem Zeitraum möglicherweise bis zu 20 Prozent der Verkäufe neuer Flugzeuge ausmachten. Dies wohl angespornt durch gesundheitliche Bedenken und die reduzierten Flugpläne der Airlines.

Business-Jets bieten Führungskräften die Möglichkeit, schnell zwischen mehreren Standorten tätig zu sein. Dadurch kann die Produktivität und Effizienz gesteigert werden. Darüber hinaus tragen die steigende Zahl von sehr vermögenden Privatpersonen und das Wachstum des Marktes für Luxusgüter und -dienstleistungen zur Nachfrage bei.

Geschäftsflugzeuge werden auch für staatliche und diplomatische Zwecke eingesetzt, da sie es den Beamten ermöglichen, sicher und schnell zu internationalen Konferenzen, Verhandlungen und diplomatischen Missionen zu reisen. Das World Economic Forum 2024 in Davos verzeichnete über 2500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Kultur. Dabei wurden schweizweit rund 1500 Bewegungen mit Privatflugzeugen registriert, von der kleinen Cessna Citation bis zur Boeing 747. In anderen Dimensionen bewegte sich die Klimakonferenz 2023 COP28 in Dubai wo rund 70’000 Delegierte aus 200 Nationen teilnahmen, wohl die meisten per Flugzeug respektive in ihren Regierung- und Privatjets.

Neben Geschäftsreisen werden häufig Business-Jets für medizinische Evakuierungs- und Luftrettungsdienste eingesetzt und bieten ein schnelles und sicheres Transportmittel für Patienten, die eine spezialisierte medizinische Versorgung benötigen. Rund 15’000 Flüge durch Business-Jets werden jährlich in der Schweiz für diese und weitere humanitäre Missionen geflogen.

So setzt beispielsweise die Rega drei Ambulanzjets des Typs Challenger 650 von Bombardier ein. Diese verfügen über eigens entwickelte multifunktionale Patientenliegen und medizinische Einrichtungen. Ausgerüstet wie eine Intensivstation fliegen sie bis zu 6’500 Kilometer weit und können bis zu vier Patienten – davon zwei Intensivpatienten – gleichzeitig liegend transportierten.

Von der Gesamtflotte von über 20’000 Business-Jets weltweit (davon Europa knapp 4000, Schweiz 250) entfallen 44 Prozent auf das Segment der leichten Jets. Zu den dabei am häufigsten ausgelieferten Jets gehören Cessna Citation, Learjet 75, Pilatus PC-24 und Embraer Phenom 30. Auf die Topmodelle von Gulfstream, Bombardier und Dassault sowie die Airbus- und Boeing-Modelle entfallen knapp 30 Prozent, das mittelgrosse Segment macht rund ein Viertel aus.

Der Markt der Geschäftsflugzeuge unterteilt sich in von Eigentümern und von Dienstleistern betriebene Flugzeugen. Beliebt sind auch Teilbesitz an einem Geschäftsflugzeug, sogenannter «fractional ownership», wo sich mehrere Eigentümer die Nutzung und die Kosten für den Kauf und Betrieb eines Flugzeugs teilen. Mehrere Verwaltungsgesellschaften bieten solche Teileigentumsprogramme für Flugzeuge an. Darunter bekannte Unternehmen wie NetJets, die gegen 700 eigene Flugzeuge betreiben. Das Unternehmen gab im September 2023 bekannt, mit Textron Aviation einen Vertrag über die Lieferung über 15 Jahre von 1.500 Cessna Citation abzuschliessen.

Problematische Emissionen

Laut einer Studie (PDF in Englisch) von Transport & Environment sind Privatjets pro Passagier 5- bis 14-mal umweltschädlicher als kommerzielle Flugzeuge und gar 50-mal umweltschädlicher als Züge. Die CO2-Emissionen europäischer Privatjets sind in den letzten Jahren sprunghaft angestiegen, so zwischen 2005 und 2019 um 31 Prozent und damit schneller als die Emissionen des kommerziellen Luftverkehrs. Covid-19 stoppte dieses Wachstum vorübergehend, aber im Vergleich zur kommerziellen Luftfahrt konnte es sich viel schneller erholen.

Im Jahr 2019 wurde ein Zehntel aller Flüge von Frankreich aus mit Privatjets durchgeführt, von denen die Hälfte weniger als 500 Kilometer zurücklegte. Tatsächlich werden Privatjets für sehr kurze Strecken (< 500 km) innerhalb Europas doppelt so häufig eingesetzt wie Flüge in der kommerziellen Luftfahrt, die laufend Marktanteile an die TGV-Zugsverbindungen verlieren.

Eine im Auftrag von Greenpeace durchgeführte Studie errechnete im Jahr 2022 aus Privatflügen in der Schweiz Emissionen von 166’000 Tonnen CO2. Die schweizerischen Flughäfen Genf und Zürich belegten europaweit mit 28’630 respektive 22’057 Bewegungen die Top Ränge 3 und 5, Nizza belegt mit 34’710 den Spitzenplatz. Für Flüge unter 500 Kilometer rangiert die Strecke Genf-Nizza unter den Top 3 in Europa (PDF-Studienergebnisse in Englisch).

Die europäische Kampagnengruppe Transport & Environment hat 2021 unter anderem folgende Empfehlungen für den Geschäftsflugverkehr definiert: Es sollten weltweit Ticket- und Treibstoffsteuern auf Privatjets mit fossilen Brennstoffen erhoben werden, die sich nach Flugentfernung und Flugzeuggewicht richtet, um den unverhältnismässigen Klimaauswirkungen Rechnung zu tragen. Grosse Privatjet-Unternehmen sollten verpflichtet werden, für alle Flüge Vereinbarungen mit SAF-Triebstoff-Anbietern abzuschliessen.

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