Ist Fliegen noch sicher? Was sagen die Zahlen und wie soll ich mich verhalten?

Ein Airbus-Flugzeug ist wegen einer Powerbank kurz vor dem Abflug auf dem südkoreanischen Flughafen der Stadt Busan in Brand geraten und hatte die Evakuierung aller 176 Menschen an Bord zur Folge. Bild: Korean Ministry of Transport

Die aktuelle Luftfahrt-Geschichte: Die Flugunfall-Ereignisse sind zurzeit omnipräsent in den sozialen Medien und in der Presse. Das Jahresende 2024 und die Eröffnungsphase des Jahres 2025 haben ein düsteres Bild in der Luftfahrt gezeichnet. Da stellt sich die Frage: Wie sicher ist die Luftfahrt heute? Wir ordnen ein.

von Peider Trippi,
6. März 2025

Eine Reihe von Vorfällen – von Turbulenzen und mechanischen Ausfällen, Rauch und Brände, bis hin zu Kollisionen am Boden und in der Luft – die Bilder prägen sich ein. Ein kurzer Überblick der jüngsten Ereignisse gemäss Aviation Herald:

  • 23. Dezember 2024: Nach einem Triebwerkschaden bildete sich Rauch an Bord einer Swiss Airbus A220 und führte zu einer Notlandung in Graz. In der Folge starb ein Flugbegleiter.
  • 25. Dezember 2024: Eine Embraer ERJ-190 von Azerbaijan Airlines auf dem Flug von Baku (Aserbaidschan) nach Grosny (Russland) mit 62 Passagieren und 5 Besatzungsmitgliedern wurde durch eine russische Flugabwehr beschossen. Dies führte zu einem Ausfall verschiedener Flugsysteme und letztlich zu einer missglückten Notlandung in Kasachstan, 32 Personen überlebten.
  • 29. Dezember 2024: Eine südkoreanische Boeing 737-800 der Jehu Air mit 175 Passagieren und 6 Besatzungsmitgliedern machte nach einem Vogelschlag mit Schwanengänse in beiden Triebwerken eine Notlandung auf dem Flughafen von Muan und prallte 300 Meter hinter dem Pistenende in eine Localizer-Installation (Landehilfe), die auf einem vorschriftswidrig erstellten Betonsockel installiert wurde. Nur zwei Besatzungsmitglieder überlebten.
  • 24. Januar 2025: Eine United Boeing 787-8 auf dem Flug von Lagos (Nigeria) nach Washington Dulles (USA) mit 245 Passagieren und 11 Besatzungsmitgliedern geriet über der Elfenbeinküste in heftige Turbulenzen und kehrte nach Lagos zurück. Die Rettungsdienste behandelten insgesamt 38 Passagiere und Besatzungsmitglieder wegen Verletzungen, sechs der Verletzten wurden in Krankenhäuser gebracht.
  • 28. Januar 2025: Eine Boeing 737-400 von der afrikanischen Max Air mit 53 Passagieren und 6 Besatzungsmitgliedern erlitt bei der Landung in Kano, Nigeria, ein Platzen eines ihrer Hauptreifen und den Zusammenbruch des Bugfahrwerks. Die Fluggesellschaft berichtete, dass alle Insassen sicher evakuiert wurden.
  • 28. Januar 2025: Ein Airbus A321-200 von der südkoreanische Air Busan mit 169 Passagieren und 6 Besatzungsmitgliedern an Bord wurde bei den Vorbereitungen für den Abflug aus Busan zurückgeschoben, als im hinteren Teil der Kabine ein Feuer in einer Gepäckablage ausbrach. Alle Personen wurden über Rutschen evakuiert, was zu vier Personen mit leichten Verletzungen führte. Das Feuer war etwa 75 Minuten später gelöscht.
  • 11. Februar 2025: Eine GOL Transportes Aereos Boeing 737-8 MAX kollidiert im Start mit einem Fahrzeug auf der Startbahn von Rio de Janeiro Galeao. Der Start wurde abgebrochen und alle Passagiere und die Besatzungsmitglieder gingen sicher von Bord.
  • 14. Februar 2025: Eine PSA Airlines CRJ-700 im Auftrag von American Airlines stürzte nach einer Kollision mit einem Armee-Hubschrauber kurz vor dem Aufsetzen auf dem Flughafen Washington National mit 60 Passagieren und 4 Besatzungsmitgliedern ab. Keiner der Passagiere und der Besatzungsmitglieder überlebten.
  • 17. Februar 2025: Eine Endeavor Airlines CRJ-900 flog im Auftrag von Delta Airlines von Minneapolis (USA) nach Toronto (Kanada) mit 76 Passagieren und 4 Besatzungsmitgliedern. Bei dem Aufsetzen in schwierigen Windverhältnissen neigte sich das Flugzeug auf die rechte Seite und touchierte mit dem Flügel am Boden. Das Flugzeug kam auf der Landebahn auf dem Rücken zum Liegen. Es gab keine Todesopfer, jedoch wurde eine Person schwer verletzt, sieben weitere erlitten leichte Verletzungen.

Ursache der Ursache

Bei Flugunfällen und -Vorkommnissen sind immer eine Verkettung von Ursachen, die letztendlich zu einem Vorfall respektive Absturz führen. Fehler der Piloten sind die häufigste Ursache bei mehr als der Hälfte aller Unfälle mit Verkehrsflugzeugen weltweit. Dazu zählen unter anderem Kommunikations- und Bedienungsfehler, Navigationsfehler, Übermüdung, Sichtprobleme (insbesondere nachts), fehlendes Situationsverständnis und im Speziellen Erwartungsfehler. Diese Faktoren werden unter dem Fachbegriff «Human Factors» zusammengefasst. Darunter fallen auch die Aspekte der Flugsicherung die ebenfalls zu Unfällen auf Pisten und im Flugraum beitragen können.

Die zweithäufigste Ursache sind technische Fehler. 17 Prozent der weltweiten Flugzeugunglücke werden durch Probleme an Triebwerken, Instrumente, Steuerung, Designfehler in der Software oder Wartungsfehler ausgelöst. Vereisung, Blitzschlag, starke Turbulenzen und schlechte Sicht sind nur für sechs Prozent aller Unglücke in der zivilen Luftfahrt verantwortlich. Turbulente Wetterbedingungen stellen eine relativ geringe aber zunehmende Gefahr dar. Weitere Faktoren sind Fremdeinwirkungen wie beispielsweise Vogelschlag, Fahrzeuge am Boden und entzündliches Material (Lithium-Batterien). Eher selten kommen Sabotage, explosive Gegenstände und Abschüsse als Ursache vor. Untersuchungen nach einem Unfall sind entscheidend, um herauszufinden, ob ein menschliches, regulatorisches, umweltbedingtes, mechanisches oder ein Software-Problem oder eine Kombination mit dem Absturz in Zusammenhang steht.

Ein Vorfall oder Absturz eines Flugzeuges ist immer eine Verkettung von unterschiedlichsten Ursachen. Dies lässt sich anhand eines sogenannten Käselochmodells bildlich vereinfacht darstellen. Erst aufeinander folgende «Lücken» im System ermöglichen letztlich ein Vorkommnis.

Am Beispiel der Jehu Air (stark vereinfacht): Die Landehilfe am Pistenende wurde vorschriftswidrig installiert (Vorschrift) und es treten Vogelschwärme auf (Umwelt), die zum Leistungsabfall der Triebwerke führten (Technik), als letzter Faktor das Handling der Piloten (Human Faktors) und das Unheil nimmt seinen tödlichen Verlauf. Wäre nur eine der Ursachen nicht erfolgt, wäre es nicht so abgelaufen. Darstellung: P. Trippi

Wie verändert sich die Wahrnehmung?

Im Zeitalter der sozialen Medien erscheinen erste Absturz- und Unfallmeldungen innerhalb weniger Minuten nach dem Ereignis, innert Stunden werden bereits erste Videoaufnahmen gepostet. So waren bei der Jehu Air die Bauchlandung und der Feuerball, beim Unfall in Washington der vertikale Absturz ins Wasser und im Fall Toronto das harte Aufprallen des rechten Fahrwerks und Abbruch des Flügels und das Überrollen – quasi live – mitzuverfolgen. Dass dies ein anderes Bewusstsein hervorruft ist nachvollziehbar. Der nüchterne Blick auf die Unfallzahlen bestätigt jedoch die stetige Reduktion der schweren Unfälle trotz wieder zunehmendem Luftverkehr.

Häufen sich Flugunfälle?

Gemäss einer Studie von Boeing ist die Gesamtzahl der Unfälle von zivilen Verkehrsflugzeugen seit 1974 klar rückläufig, ebenso die Unfallraten. In den letzten zwanzig Jahren ging die Zahl der Unfälle um rund 30 Prozent zurück, Rumpfverluste reduzierten sich fast um die Hälfte und die Zahl der tödlichen Unfälle ging um 60 Prozent zurück. Mit jeder neuen Generation einer Flugzeugtype und den laufenden Verbesserungsmassnahmen in der Zivilluftfahrt reduzierten sich die Unfallraten mit Totalverlust des Flugzeugs in Bezug auf die Anzahl Abflüge. Insgesamt sind dies Reduktionen zwischen 50 bis 90 Prozent seit den 1970er und 1980er Jahren. Dies lässt sich beispielsweise anhand der B737- und A320-Flotten und den A300-Grossraumflugzeugen (und ihrem direkten Nachfolger A330) gut belegen:

Vergleich der ersten Generationen B737, A320 und A300 aus den 1970er und 1980er Jahren mit den neueren Modellreihen, alle mit mindesten 1 Million Abflüge (ohne B737 MAX). Daten Boeing / Graphik P. Trippi

Im Jahr 2024 wurden gemäss IATA 40 Millionen Flugbewegungen (Jet- und Turboprop) vorgenommen. Die Gesamtunfallrate (Unfälle mit nicht tödlichem und tödlichem Ausgang) lag im Jahr 2024 bei einem Unfall pro 1,13 Millionen Flüge, eine Verbesserung gegenüber 1,30 im Jahr 2022 und die niedrigste Rate seit über einem Jahrzehnt.

Im Jahr 2024 wurden sieben tödliche Unfälle gemeldet, bei denen 244 «an Bord» (davon allein 214 Todesopfer bei Jehu Air und Azerbaijan Airlines) und sieben weitere «sonstige Todesopfer» zu beklagen waren, darunter auch am Boden oder an Bord eines anderen Flugzeugs. Dies ist ein Anstieg gegenüber einem einzigen tödlichen Unfall im Jahr 2023. Das Todesrisiko stieg von 0,03 im Jahr 2023 auf 0,06 im Jahr 2024 und liegt damit immer noch unter dem Fünfjahresdurchschnitt von 0,10 für den Zeitraum 2020-2024. Bei diesem Sicherheitsniveau müsste eine Person 15.871 Jahre lang jeden Tag mit dem Flugzeug reisen, um einen tödlichen Unfall zu erleben!

Welche Flugphasen sind betroffen?

Im Betrachtungszeitraum 2014 bis 2023 wurden weltweit 28 Totalverluste von Verkehrsflugzeugen registriert. Dabei ereigneten sich 11 Prozent am Boden, 21 Prozent beim Start und Steigflug, 26 Prozent bei Ansteigen/Flughöhe/Absteigen sowie 42 Prozent im Landeanflug und bei der Landung. Die meisten sicherheitsrelevanten Verbesserungen in den letzten Jahrzehnten konzentrierten sich auf die Phasen Rollen, Steigen, Anflug und Landung.

Was verbessert die Überlebenschancen?

Gerade bei Landeunfällen ist es nicht unerheblich, welche Faktoren ein Überleben ermöglichen. An erster Stelle stehen die konstruktiven Voraussetzungen der Flugzeugzelle (Crashsicherheit), bei den Passagiersitzen die eine Beschleunigungen von 16 g standhalten müssen sowie die Nichtbrennbarkeit von Materialien. Die Zulassungs-Vorschriften von Verkehrsflugzeugen verlangen, dass im Brand- respektive Unfallfall alle Passagiere in einem Flugzeug (bei maximaler Kapazität) innerhalb von 90 Sekunden evakuiert werden, wobei 50 Prozent der Ausgänge genutzt werden. Zentral bei einer Evakuierung ist, dass die Passagiere ohne Gepäck das Flugzeug verlassen. Alle Besatzungsmitglieder durchlaufen regelmässig Evakuierungstrainings inklusive bei Wasserungen, dann allerdings im heimischen Schwimmbecken.

Die Überlebensstrategien bei einem Flugzeugabsturz hängen von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Art des Absturzes respektive Unfalls, die Höhe aus der das Flugzeug abstürzt und die Verfügbarkeit von Notausgängen. Hier sind einige wichtige Punkte, die Sie in Betracht ziehen sollten:

  • Powerbanks und E-Zigaretten sind an ihren Sitzen und nicht in Gepäckablagen mitzuführen. Es ist auch untersagt, jegliche Art von Lithiumbatterien mit dem Gepäck aufzugeben. Tragen Sie beim Fliegen praktische Schuhe. High Heels oder Flip-Flops können Sie im Notfall verlangsamen oder die Notrutschen beschädigen.
  • Schnallen Sie sich an: Halten Sie während des gesamten Fluges immer Ihren Sicherheitsgurt angelegt. Dies ist die wichtigste Massnahme, um Verletzungen während eines unerwarteten Absturzes oder von starken Turbulenzen (siehe hierzu auch den Mobimag-Beitrag) zu minimieren.
  • Notausgänge finden: Machen Sie sich mit den Notausgängen vertraut und beachten Sie die Sicherheitsdemonstration. In einem Notfall sollten Sie in der Lage sein, diese schnell zu erreichen. Lassen sie ihr Gepäck in jedem Fall zurück. Gepäck kann ersetzt werden, ihr Leben und das von anderen Personen nicht.
  • Ruhe bewahren: Panik kann in solchen Situationen lebensgefährlich sein. Versuchen Sie, ruhig zu bleiben und Ihren Sitznachbarn zu beruhigen und anderen Passagieren zu helfen. Notrutschen (und Schwimmwesten) zu nutzen und vor allem, befolgen Sie die Anweisungen der Besatzungen die in verschiedenen Unfallszenarien dafür geschult sind!

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