In einer Arbeit für den CAS «Neue Geschäftsmodelle» der ETH Zürich hat Hermann Spiess ein System untersucht, bei dem private Fahrzeuge in den Fahrplan des öffentlichen Verkehr eingebunden werden. «Die Vorteile liegen auf der Hand», schreibt er. So könnten der Besetzungsgrad erhöht und die Betriebszeiten ausgedehnt werden.
von Hermann Spiess
14. November 2022
Dinge verändern sich im Laufe der Zeit. Wenn wir zulassen, dass sich der uns heute bekannte öffentliche Verkehr verändert, kann dieser seine Kapazität und Reichweite erweitern. Gleichzeitig wird dadurch der Strassenverkehr verbessert. Neue Synergien vermindern die Transportkosten, aber auch Verkehrsüberlastungen und CO2-Emissionen.
Eine solche Entwicklung bedingt nur kleine Verhaltensänderungen. Die Gesellschaft muss lediglich ermöglichen, dass Privatautos mit leeren Sitzplätzen freiwillig den öffentlichen Verkehr verstärken können. Eine Registrierung des Fahrtziels bei der Abfahrt macht so Millionen von leeren Sitzplätzen in privaten Autos für die Öffentlichkeit zugänglich. Ganz ohne zusätzliche Kosten, Mehrverkehr und neue Transportinfrastrukturen entsteht eine enorme Vielfalt an neuen Transportoptionen für die gesamte Bevölkerung.
Ein Autofahrer/eine Autofahrerin braucht nur wenige Sekunden, um per Smartphone seine/ihre Fahrstrecke in einen ÖV-Fahrplan hochzuladen. Vielleicht wird ein Passagier genau diese Strecke als seine persönlich beste Verbindung auswählen. Dies bedeutet, dass das Auto während seiner Fahrt zweimal zusätzlich anhält, nämlich um seinen Passagier ein- und später wieder aussteigen zu lassen. Genau so, wie ein öffentlicher Bus an seinen Haltestellen kurz anhält. Und da ein Auto mit einem zusätzlichen Passagier kaum mehr Treibstoff benötigt, wird dieser praktisch klimaneutral befördert.
Autofahrer/-innen finden allerdings nur gelegentlich einen Passagier auf ihrem Weg. Denn ähnlich wie der ÖV schafft ein solches System mehr Beförderungsangebote als es tatsächlich Fahrgäste hat. Weil alle Teilnehmer per Smartphone und Autonummer registriert sind, ist die Sicherheit jederzeit garantiert.
Durch die Teilnahme an einem solchen System können private Autofahrer/-innen den ÖV unterstützen. Dies kommt auch ihrer eigene Familie, Freundinnen und Nachbarn zugute. Da sie sowieso auf der Strasse unterwegs sind, müssen sie mit dieser Dienstleistung auch kein Einkommen erzielen.
So entstehen erstmals attraktive Beförderungsangebote auch für andere Autofahrer/-innen. Wenn dann einzelne von ihnen gelegentlich selbst als Passagier/-in mitfahren, vermindern sie so den Strassenverkehr. Auch deshalb werden Autofahrer/-innen ein solches System mittragen.
Ein «Dynamic Ridesharing»-System erlaubt dem ÖV auch dort neue Transportmöglichkeiten anzubieten, wo es zuvor keine, oder nur spärliche ÖV- Angebote gab. Und zwar zu attraktiven Preisen.
Eine solche Transformation des öffentlichen Verkehrs bringt der Gesellschaft nur Vorteile. Die Menschen werden die neuen Transportangebote schnell entdecken und ausprobieren. Beinahe rund um die Uhr werden neue ÖV- Angebote auch viele Neukunden ansprechen. In ländlichen Gebieten werden Berufstätige, Jugendliche, ältere Leute und Menschen mit Behinderungen bessere Transportangebote erhalten. In städtischen Gebieten werden zur Hauptverkehrszeit Kapazitätsengpässe im ÖV vermindert. Auch Bahnhöfe und Verkehrsdrehscheiben werden so viel leichter erreichbar. Die sozialen, ökonomischen und ökologischen Vorteile für die ganze Gesellschaft liegen auf der Hand.
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