Ist der Elektroauto-Boom schon am Ende? Die Details zum Schweizer Automarkt im Q3

Der Schweizer Automarkt leidet auch im dritten Quartal. Bild: Luis / Unsplash

An der Spitze der Rangliste der meistverkauften Autos löst ein Tesla-Modell nach drei Quartalen das andere ab. Fast jedes zweite neu verkaufte Auto verfügt mittlerweile über einen alternativen Antrieb. Bei den elektrischen Autos zeichnete sich in den letzten Monaten aber eine negative Entwicklung ab.

von Stefan Ehrbar
10. Oktober 2022

Im September gab es für die Schweizer Autoimporteure erstmals wieder Grund zur Freude: Im Vergleich zum Vorjahresmonat wurden 6,6 Prozent mehr neue Fahrzeuge verkauft. Von einer «Trendwende» spricht der Verband Auto-Schweiz in einer Mitteilung. Erstmals seit Februar 2022 und dem Angriff Russlands auf die Ukraine sei wieder ein Monatsplus registriert worden.

«Die seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs schwierige Versorgungslage mit einigen Zulieferprodukten, etwa Kabelbäumen, hat sich mittlerweile stabilisiert, so dass wieder mehr Fahrzeuge produziert und ausgeliefert werden können», wird Auto-Schweiz-Direktor Andreas Burgener zitiert. Die Situation sei aber nach wie vor von grosser Unsicherheit geprägt, vor allem bei der Lieferbarkeit von Mikrochips und anderen elektronischen Bauteilen.

Werden die ersten neun Monate des Jahres betrachtet, konnte der Automarkt dank einem guten August und September den Rückstand gegenüber dem Vorjahr von 13 auf 9,7 Prozent reduzieren. In den ersten drei Quartalen wurden mit knapp 163’000 Fahrzeugen immer noch gut 17’000 weniger zugelassen als in der Vorjahresperiode. Ob dieser Rückstand noch vollständig aufgeholt werden kann, ist zwar offen – die Entwicklung zeigt aber in diese Richtung. 

Damit bestätigt sich auch, was Amag-Chef Helmut Ruhl kürzlich in einem Interview mit der «Handelszeitung» sagte. «Wirtschaftlich läuft es für die Branche nicht so schlecht, weil es aufgrund der fehlenden Belieferung keine Rabattschlachten gibt», sagte er. «Wir sind gut unterwegs, unser Marktanteil liegt bei 31,1 Prozent, wie im Vorjahr. Und ich bin überzeugt, wir werden in der zweiten Jahreshälfte mehr Autos haben und entsprechend mehr verkaufen.» Aus den Jahren der Krise fehlten aber 200’000 Neuwagen: «Bei einem Bestand von total 4,7 Millionen Autos ist das relevant.»

In untenstehender Tabelle sind die Verkaufszahlen der einzelnen Modelle der ersten neun Monate, die Platzierungen im Jahr 2021 sowie die CO2-Emissionen der Top 20 aufgelistet.

An der Spitze hat das Tesla-Modell Y den bisherigen Spitzenreiter, das kleinere Model 3, abgelöst. Škoda belegt mit seinem Kombi Octavia, der zuvor jahrelang den Platz 1 auf sicher hatte, in den ersten drei Monaten den Platz 2.

Einen grossen Sprung nach vorne machte Dacia mit seinem günstigen Kleinwagen Sandero, der im Vergleich zum Jahr 2021 acht Plätze im Ranking gut machte. Um 13 Plätze nach vorne ging es für den Audi A3, ganze 29 Plätze nach vorne katapultierte sich die Mercedes-Benz C-Klasse. Auch die Modelle Peugeot 208, Seat Formentor und das Elektroauto-Modell Škoda Enyaq legten zu. Am meisten Zuwachs verzeichnete allerdings Toyota mit seinem SUV Yaris Cross, der um 101 Plätze nach vorne rückte.

Zwiespältig sieht hingegen die Bilanz bei den alternativen Antrieben aus. Im September kamen diese zwar auf einen rekordhohen Anteil von 51,2 Prozent.

Bei den reinen Elektrofahrzeugen aber zeigte sich im letzten Quartal ein anderes Bild: Während der Anteil an den Neuzulassungen im ersten Halbjahr 16,4 Prozent betrug, liegt er nach neun Monaten leicht tiefer bei 16,3 Prozent. Im dritten Quartal ging der Anteil der Elektroautos damit zum ersten Mal seit Jahren leicht zurück. Der Rückgang ist zwar sehr klein und könnte auch an Problemen bei der Auslieferung oder normalen Schwankungen liegen – ein genauer Blick auf die Entwicklung der Elektroauto-Zulassungen in den nächsten Monaten empfiehlt sich dennoch. Sollte sich der rückläufige Trend bestätigen, müsste allenfalls über eine stärkere Förderung nachgedacht werden.

Dieses Bild zeigt sich im Übrigen nicht nur bei reinen Elektrofahrzeugen: Der Anteil der neu zugelassenen Fahrzeuge mit Mildhybrid-Antrieb sank von 25,1 Prozent im ersten Halbjahr auf 24,6 Prozent in den ersten neun Monaten, der Anteil der Plug-In-Hybride von 8,6 Prozent auf 8,4 Prozent. Die letzten drei Monate waren für die Autohersteller zwar in Sachen Verkaufszahlen erfreulich, in Sachen alternative Antriebe allerdings sind sie eher als Warnzeichen zu deuten.

Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern zeigt sich immerhin: Im internationalen Vergleich ist der Anteil der Elektrofahrzeuge in der Schweiz weiterhin hoch. In den ersten sechs Monaten war er nur in Norwegen, Schweden und den Niederlanden höher. Aktuellere Daten liegen noch nicht vor.

Hingegen hat die Schweiz die Österreich, Deutschland und Frankreich hinter sich gelassen. Bei den Plug-In-Hybriden, deren Klimawirkung sehr umstritten ist (Mobimag berichtete) und die gemäss verschiedenen Studien sogar mehr Emissionen verursachen als konventionelle Verbrenner, kommen auch Deutschland und Belgien auf höhere Anteile als die Schweiz. Weiterhin einen sehr schweren Stand haben alternativ angetriebene Fahrzeuge in Spanien, Italien und Polen. Dort sind derzeit nur 2 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge rein elektrisch betrieben.

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