Lastwagen mit Rekordwerten // Die Vorteile eines Interrails für Alle // Darum fahren Autos noch lange nicht selbst

Wer hat die Kontrolle: Fahrer oder Auto? Ein Knackpunkt der Automatisierung. Bild: Randy Tarampi / Unsplash

Trotz allen Klimazielen erreicht der Lastwagenverkehr in Deutschland Rekordwerte, die gesteckten Ziele rücken in immer weitere Ferne. Was muss die Regierung nun tun? Ausserdem im Blick aufs Ausland: Das sind Vorteile eines Interrails für alle – und diese grossen Hindernisse müssen autonome Autos noch überwinden.

von Stefan Ehrbar
24. Dezember 2021

Hinweis: Mobimag über die Festtage
Mobimag bedankt sich bei seinen Leserinnen und Lesern für die Treue im Jahr 2021 und wünscht erholsame Festtage! Mobimag erscheint auch zwischen den Jahren wie gewohnt mit neuen Artikeln jeden Wochentag.

Lastwagenverkehr auf Rekordkurs

Der Lastwagen-Verkehr in Deutschland hat im vergangenen Jahr ein Rekordniveau erreicht. Das berichtet die «Allianz pro Schiene». Der Marktanteil im Gütertransport stieg demnach um fast eineinhalb Prozentpunkte auf 72,6 Prozent. Der Anteil der Bahn sank um 0,6 Prozentpunkte auf 18,0 Prozent. Die Allianz beruft sich dabei auf noch unveröffentlichte Zahlen des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr.


Sie möchten werbefrei lesen? Jetzt kostenlos testen!

Noch nie sei der Marktanteil der Lastwagen am Güterverkehr in Deutschland so hoch gewesen, wird Dirk Flege zitiert, der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene. Der Güterverkehr steuere in die völlig falsche Richtung. Die neue Regierung starte mit einem «extrem hohen Handlungsdruck». Im Koalitionsvertrag haben sich FDP, SPD und Grüne dazu verpflichtet, den Marktanteil der Bahn am Güterverkehr bis 2030 auf 25 Prozent auszubauen.

Zum Vegleich: In der Schweiz hat die Schiene im Güterverkehr einen Anteil von 34 Prozent an der Verkehrsleistung, in Österreich einen von 28 Prozent, in Schweden einen von 31 Prozent. Deutlich tiefer sind die Anteile laut den Zahlen der Allianz hingegen in Frankreich (9 Prozent), Italien (11 Prozent) oder Spanien (5 Prozent). Am höchsten ist der Wert innerhalb Europas in Lettland mit 70 Prozent.

Dass die Schiene in Deutschland dieses Jahr so schlecht abschneidet, dürfte zu einem Teil auch auf die Coronakrise zurückzuführen sein, weil die Bahn stärker unter Einschränkungen litt. Der Gütertransport per Schiene ist deutlich umweltfreundlicher als jener mit dem Lastwagen – pro Tonne und Kilometer wird nur etwa ein Siebtel der CO2-Emmissionen verzeichnet.


Sie möchten werbefrei lesen? Jetzt kostenlos testen!

Braucht es ein Interrail für Alle?

Die EU will die Schiene modernisieren, etwa mit einer Befreiung internationaler Züge von der Mehrwertsteuer, einer neuen Mobilitätsplattform und schnelleren Verbindungen (Mobimag berichtete). Doch ähnliche Ankündigungen gab es laut dem Portal «Klimareporter» schon mehrfach – ohne Ergebnis. Deshalb sei es nun Zeit für Sofortmassnahmen.

In einer Kolumne schreibt der Sozialwissenschaftler Andreas Knie von der Technischen Universität Berlin, dass die Ankündigungen der EU kaum etwas bewirken dürften. Bevor vielleicht in 40 oder 50 Jahren die ersten neuen Verbindungen gebaut, genehmigt und betrieben würden, müsse jetzt gehandelt werden. Eine erste Lösung könnte ein Interrail-Pass für alle darstellen.


Sie möchten werbefrei lesen? Jetzt kostenlos testen!

Eine solche Flatrate, mit der grenzenlos für ein Jahr überall und ohne Zugbindungen oder sonstige Einschränkungen innerhalb Europas gefahren werden könnte, könnte für viele der erste Zugang zu Europa sein – wie es der Interrail-Pass schon früher war. Die Kosten dafür sollten sich laut Knie die jeweiligen Bahnunternehmen mit der EU teilen.

Zumindest im ersten Jahr schwebt Knie ein attraktiver Preis vor, um «möglichst viele Menschen in die Bahnen zu locken». Ein «starker Auftritt» wäre ihm zufolge etwa ein Preis von 5’000 Euro (umgerechnet 5’200 Franken). «Das wäre ein wirkliches Bekenntnis zur Schiene. Und jeder eingesparte Autokilometer wäre es wert.»

Die Hürden für autonome Autos sind hoch

Autopiloten etwa von Mercedes oder Tesla verblüffen viele Autofahrer. Den hoch entwickelten Assistenzsystemen gelingt es scheinbar, schon alleine zu fahren. Sie bremsen selbst, wechseln gar die Spur und reagieren viel schneller als es ein Mensch je könnte. Doch trotzdem ist der Weg zum autonomen Auto noch sehr weit, berichtet der «Spiegel» mit Verweis auf eine Studie des Institute for Transport Studies im englischen Leeds.


Sie möchten werbefrei lesen? Jetzt kostenlos testen!

Sie erhärtet laut dem Bericht «den Verdacht, dass der abgelenkte Mensch mit seiner Co-Piloten-Rolle heillos überfordert ist». Die Rückgabe der Fahrkontrolle vom intelligenten Assistenzsystem zurück an den Fahrer sei «hochriskant». Das Problem ist also nicht die Ausgereiftheit des Autopiloten, sondern das Wechselspiel mit dem Fahrer.

«Ohne zusätzliche technische Systeme kann es von Fahrern nicht verlangt werden, innerhalb einer begrenzten Zeitspanne wieder die Kontrolle des Autos zu übernehmen», wird Hauptautor Davide Maggi zitiert. Dass der Fahrer das Lenkrad ergreife, heisse noch nicht, dass er wieder voll einsatzfähig sei.

In einem Test brauchten Probanden etwa fünf Sekunden, um zum Lenkrad zu greifen und den Assistenten zu deaktivieren. Mindestens zehn weitere Sekunden seien nötig gewesen, um wieder aktiv in das Fahrgeschehen eingreifen zu können – in heiklen Situationen eine viel zu lange Zeitspanne.


Sie möchten werbefrei lesen? Jetzt kostenlos testen!

Heutige Regularien räumen hochautomatisierten Systemen der Stufe 3, welche es Fahrern erlauben, sich für längere Zeit vom Verkehrsgeschehen abzuwenden, zehn Sekunden Unaufmerksamkeit ein, bevor der Mensch wieder die Kontrolle übernehmen können muss. Doch laut der Studie sind nach zehn Sekunden nur etwa 70 Prozent der Fahrer wieder in der Lage, vollständig das Steuer zu übernehmen. Die Dauer müsste daher eher auf 15 bis 20 Sekunden erhöht werden, folgern die Forscher.

Andere Experten sagen, es sei für Menschen fast unmöglich, ein System zu beaufsichtigen, das gefühlt dauernd korrekt funktioniere.

Schreiben Sie einen Kommentar

Diesen Artikel kommentieren