Eine Helmpflicht führt dazu, dass weniger Menschen Velo fahren. Das behauptet ein britischer Minister. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Die FDP will neue Strassen in Deutschland – und Geschäfte in New York verzeichnen nach der Strassensperrung für Autos mehr Umsätze.
von Stefan Ehrbar
9. Dezember 2022
Die Nachteile einer Velohelmpflicht
Jesse Norman, der britische Minister of State for Decarbonisation and Technology, hat diese Woche die Forderung nach einer Helmpflicht für Velofahrende in England abgelehnt. Darüber berichtet forbes.com. Er beantwortete damit eine Frage aus dem Parlament, ob mit einer solchen Pflicht die Sicherheit für Velofahrende erhöht werden könnte.
Norman hatte eine Helmpflicht schon 2017 abgelehnt, als er als Verkehrsminister geamtet hatte. Die Sicherheitsvorteile einer Helmpflicht würden wahrscheinlich durch die Tatsache aufgewogen, dass damit einige vom Velofahren abgehalten würden, argumentierte er diese Woche. Das würde die Vorteile des Velofahrens für die Gesundheit und die Umwelt verringern.
Wie es im Bericht weiter heisst, wird die Helmpflicht auch kritisiert, weil sie Autofahrenden ein falsches Gefühl der Sicherheit vermittelt und von Massnahmen wie abgetrennten Velowegen ablenkt, die einen grösseren Sicherheitsgewinn bieten.
Chris Broadman, der Beauftragte für aktive Mobilität, nennt die Helmpflicht gar ein «massives Ablenkungsmanöver». Sie sei nicht einmal in den Top 10 der Dinge, die getan werden müssten, um das Velofahren sicherer zu machen.
Nichtsdestotrotz empfiehlt die britische Regierung das Tragen von Velohelmen, hat aber keine Absicht, dies vorzuschreiben.
Die Popularität von Helmen als vorgeschlagene Massnahme zur Erhöhung der Strassensicherheit liege möglicherweise nicht an ihren Vorteilen, sondern an kulturellen, psychologischen und politischen Aspekten der Debatte über Risiken, wird Ben Goldrace zitiert, Professor für evidenzbasierte Medizin an der Universität Oxford. Schliesslich seien die Vorteile im Vergleich zu anderen Massnahmen eher bescheiden.
Deutsche FDP will neue Strassen
Die in der deutschen Bundesregierung vertretene FDP will den Bau von Strassenprojekten beschleunigen. Deren Ausbau der Infrastruktur sei für den Wirtschaftsstandort zentral, wird Fraktionschef Christian Dürr von spiegel.de zitiert. «Da kann es keine zwei Meinungen geben.»
Es überrasche ihn, dass die Koalitionspartner von den Grünen Bedenken hätten. Im Koalitionsvertrag sei vereinbart worden, die Planungs- und Genehmigungsverfahren aller Vorhaben zu halbieren, egal ob es sich um den Ausbau erneuerbarer Energien oder neue Strassen handelt.
Das von Volker Wissing (FDP) geführte Verkehrsministerium hat einen Entwurf für ein Gesetz zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren veröffentlicht, mit dem etwa ein vorzeitiger Baubeginn für Bundesfernstrassen, Bundeseisenbahnen und Bundeswasserstrassen ermöglicht werden soll.
Die Grünen stellen sich hingegen auf den Standpunkt, dass im Koalitionsvertrag auch vereinbart worden sei, den Ausbau der Schiene und der klimafreundlichen Mobilität zu priorisieren.
Die SPD will diesen Vorrang von Bahnstrecken zwar weiterhin beibehalten, aber Sperrungen aufgrund von akuten Mängeln und Sicherheitsbedenken müssten auch bei Wasserwegen und Strassen unbedingt verhindert werden. Zudem hat sich der SPD-Fraktionsvize Detlef Müller nicht gegen weitere Strassen-Neubauprojekte positioniert.
Die oppositionelle Union wiederum unterstützt das Vorhaben und wirft der Grünen Partei «Verhinderungsmentalität» vor.
Autofreie Strassen florieren
Mit dem «Open Streets»-Programm hat die Stadt New York in den vergangenen Monaten mehr Platz im Freien für zu Fuss Gehende und Gastro-Betriebe auf Kosten des Autos geschaffen und damit auf Forderungen aus der Zeit des Ausbruchs der Corona-Pandemie reagiert. Die «New York Times» berichtet in einem Artikel nun über die Erfolge des Programms.
Die verkehrsfreien Zonen seien zu einer wichtigen Rettungsleine für angeschlagene Restaurants und Bars geworden, die mehr Gastrofläche anbieten konnten. Laut einem neuen Bericht der Stadt, der die wirtschaftlichen Auswirkungen des Programms untersucht hat, haben Restaurants und Bars in den Open Streets zuletzt höhere Umsätze verzeichnet als solche in ähnlichen Strassen mit Autoverkehr. In einigen Fällen schnitten sie sogar besser ab als vor der Coronakrise.
Einige Open Streets hätten darüber hinaus sogar neue Restaurants und Bars während der ersten 18 Monate der Krise angezogen, als viele Geschäfte geschlossen waren, heisst es im Artikel.
«Während der Pandemie haben New Yorker gerne im Freien gegessen. Wir haben jetzt empirische Beweise für die wichtige Rolle, die das Programm für die lokale Wirtschaft und die Erholung der Stadt hatte», wird Ydanis Rodriguez zitiert, der Verkehrsbeauftragte der Stadt.
Die Strategie, das Leben während einer Krise ins Freie zu verlagern, könne Städten auch danach helfen, sich zu erholen.
Das Open-Streets-Programm wurde 2021 in einigen Vierteln in reduziertem Umfang dauerhaft umgesetzt. Aus ihr hervorgegangen ist zudem die Initiative «Open Restaurants», an der sich 12’000 Restaurants und Bars beteiligen und welche es zum Ziel hat, die Outdoor-Gastronomie dauerhaft zu etablieren.
Kritiker monieren allerdings mehr Lärm, Müll und Ratten sowie blockierte Trottoirs wegen der Initiative. Zudem hätten sich Staus verschlimmert und Parkplätze seien verschwunden.
Die Stadt hat auch die Steuereinnahmen von Restaurants und Bars verglichen. Solche, die 2021 an einer Open Street lagen, zahlten demgemäss 19 Prozent mehr Steuern als in den drei Jahren vor der Pandemie, solche an einer nicht vom Programm beeinflussten Strasse 29 Prozent weniger.
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