Pendler nehmen für kurze Strecken das Auto // Die Zukunft der Deutschen Bahn // Parkplätze schaden der Wirtschaft

Die Deutsche Bahn erhält einen neuen Chef. Bild: DB

Selbst für sehr kurze Arbeitswege nehmen Pendler gerne das Auto, zeigt eine neue Studie. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland: So soll sich die Deutsche Bahn unter der neuen Regierung entwickeln – und ein Architekt sagt: Die Autozentriertheit in den Städten schadet der Wirtschaft.

von Stefan Ehrbar
3. Dezember 2021

Pendler wählen für kurze Distanzen das Auto

Die Verkehrswende wird von der Coronakrise ausgebremst – zumindest in Deutschland. Das zeigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes, welche der «Spiegel» ausgewertet hat.

Im vergangenen Jahr haben vier von zehn Befragten angegeben, selbst für Strecken mit einer Distanz von unter fünf Kilometern normalerweise das Auto zu nehmen. Dieser Wert hat sich seit 2016 nicht verändert. Für etwas längere Strecken mit einer Distanz zwischen fünf und zehn Kilometern nehmen sogar 69 Prozent der Befragten meistens das Auto.

Auf den kurzen Strecken unter fünf Kilometern dominiert mit einem Anteil von 40 Prozent das Auto als meist genutztes Verkehrsmittel, gefolgt vom Velo mit 26 Prozent, dem zu Fuss gehen (25 Prozent), Bus, Bahn oder Tram mit 8 Prozent und Motorrädern und Motorrollern mit 1 Prozent. Der Anteil des ÖV ist auf Strecken zwischen fünf und zehn Kilometern mit 18 Prozent immerhin etwas höher.

Die Verkehrsmittelwahl auf kurzen Strecken ist auch deshalb relevant in einem grösseren Kontext, weil fast die Hälfte der Berufspendler laut eigenen Angaben einen kurzen Arbeitsplatz von weniger als zehn Kilometern hat. 27 Prozent der Befragten haben sogar einen Arbeitsweg von weniger als fünf Kilometern. Gleichzeitig gibt es in Deutschland aber auch 13 Millionen Menschen, die für den Job zwischen verschiedenen Landkreisen pendeln und 3,4 Millionen Menschen, die in unterschiedlichen Bundesländern arbeiten und leben.

Die Statistiker des Bundesamts bilanzieren eine «ungebrochene Dominanz des Autos». Es bleibe das mit Abstand beliebteste Verkehrsmittel zum Pendeln, sein Anteil sei zuletzt sogar gewachsen.

So soll sich die Deutsche Bahn entwickeln

Deutschland erhält mit der Ampel-Regierung auch einen neuen Verkehrsminister: Volker Wissing (FDP) wird von Andreas Scheuer (CSU) übernehmen. Im Koalitionsvertrag sind einige Punkte festgehalten, welche die Deutsche Bahn stärken könnten, berichtet die «Süddeutsche Zeitung». Vieles sei aber auch vage formuliert.

Die Versprechungen seien gross. Im Deutschland-Takt sollen Fernzüge ab dem Jahr 2030 die grössten Städte im Halbstundentakt verbinden. Das Angebot soll verdoppelt werden, Fernzüge sollen in mehr Oberzentren halten. Zudem sollen Strecken reaktiviert und elektrifiziert werden und das Netz erweitert werden.

Die neue Regierung will auch internationale Züge stärken, die Nachtzüge forcieren und den Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene von 18 auf 25 Prozent steigern.

Der Koalitionsvertrag sei mit einer «gewissen Grundsympathie für die Schiene» geschrieben, wird Eisenbahn-Experte Christian Böttger von der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft zitiert. Der grosse Wurf sei der Vertrag aber nicht.

Die neue Regierung hat auch den Entscheid getroffen, dass das Netz mit mehr als 33’000 Kilometer Gleisen und gut 5000 Bahnhöfen keinen Gewinn mehr machen muss. Die Bahn soll die Infrastruktur am Gemeinwohl orientiert betreiben. Zudem soll «erheblich mehr in die Schiene als in die Strasse investiert werden» – das wäre eine Abkehr von den bisherigen Geldflüssen.

Ob die Ticketpreise sinken werden, ist unklar. Zwar sollen die Trassenpreise gesenkt werden, aber nur, wenn es «haushalterisch machbar» ist.

Welche Rolle es spielen wird, dass der neue Verkehrsminister Wissing von der FDP kommt, wird sich zeigen müssen. Er hatte im Wahlkampf ein generelles Tempolimit auf Strassen abgelehnt und sich für weniger Besteuerung von Diesel-Autos ausgesprochen. Als Landesverkehrsminister in Rheinland-Pfalz hatte er aber auch eine Vereinheitlichung von ÖV-Tarifen vorangetrieben, um den ÖV-Anteil zu erhöhen.

Parkplätze schaden der Wirtschaft

Schadet der Abbau von Parkplätzen den Läden? Diese Behauptung wird immer wieder aufgestellt – aber sie stimmt nicht. Das schreibt Timothy F. Welch, Experte für Architektur und Stadtplanung an der Universität Auckland in einem Beitrag für die Website newsroom.co.nz.

Es sei verständlich, dass Ladeninhaber über die Politik des Parkplatzabbaus besorgt seien, schreibt er. Viele von ihnen seien der Meinung, dass ein erheblicher Teil der Kundschaft mit dem Auto anreise und Parkplatzabbau die Kunden zwinge, anderswo zu kaufen. Diese Ansicht sei weit verbreitet, aber falsch.

Studien aus aller Welt zeigten, dass Geschäftsinhaber die Zahl der Kunden, die mit dem Auto anreisen, durchwegs überschätzen, und den Anteil der Fussgänger, ÖV-Nutzer oder Velofahrer unterschätzen. Eine Studie aus Toronto belegte, dass ein Viertel der Geschäftsinhaber schätzt, dass mehr als die Hälfte der Kunden mit dem Auto zu ihrem Laden fährt. In Wirklichkeit waren es nur 4 Prozent.

Dieser Irrglaube entsteht laut Welch, weil Ladeninhaber häufig überschätzen, wie weit Menschen fahren, um bei ihnen einzukaufen. So hat eine Studie in Berlin gezeigt, dass Ladenbesitzer glauben, dass nur etwa 12 Prozent der Kundinnen und Kunden im Umkreis von einem Kilometer wohnen. In Tat und Wahrheit sind es 51 Prozent. «Lokale Geschäfte ziehen lokale Kunden an», schreibt Welch.

Hinzu kommt: Beide Studien zeigen, dass Menschen, die zu Fuss, mit dem Velo oder dem ÖV unterwegs sind, in Läden mehr Geld ausgeben und diese auch häufiger aufsuchen als autofahrende Kunden. Im Fall von Berlin waren die Nicht-Autofahrer in den untersuchten Läden für 90 Prozent der Ausgaben verantwortlich.

Parkplätze auf den Strassen seien also für die Läden nicht nur relativ unwichtig, sie könnten sogar verschwenderisch und schädlich sein, weil sie zu übermässigem Autoverkehr verleiteten – und zu Staus und Schadstoffausstoss in den Stosszeiten. Das Parkieren stelle häufig auch eine Gefahr für Velofahrer dar. Wenn Parkplätze aufgehoben werden, könnten stattdessen Velo- oder Busspuren eingerichtet werden, die viel mehr Menschen zugute kommen würden und auch den Läden helfen würden, so Welch.

Schreiben Sie einen Kommentar

Diesen Artikel kommentieren