Grüne Welle für Fussgänger in London // Was kommt nach 9-Euro-Ticket? // Die verpasste Transformation kanadischer Städte

Immer Grün für Fussgänger? Das wird in London getestet. Bild: Yanny Mishchuk / Unsplash

Gewisse Ampeln für Fussgänger in London werden standardmässig auf Grün gestellt. Sensoren erkennen herannahende Fahrzeuge. Ausserdem im Blick aufs Ausland: Deutschland denkt über ein Nachfolge-Angebot für das 9-Euro-Ticket nach – und kanadische Städte enttäuschen Anhänger der Verkehrswende.

von Stefan Ehrbar
22. Juli 2022

Grüne Welle für Fussgänger

Die Dachorganisation für den Verkehr in London Transport for London (TfL) hat an 18 Kreuzungen ein neues System für die Ampelschaltungen eingeführt. Dort stehen die Ampeln für Fussgänger jetzt standardmässig immer auf Grün. Sensoren erkennen herannahende Fahrzeuge und schalten die Ampeln dann auf Rot. Über das Projekt berichtet etwa das Portal heise.de.

Dank der neuartigen Schaltung bekommen Fussgänger laut den Daten eines neunmonatigen Versuchs pro Tag durchschnittlich 56 Minuten länger Grün. Gleichzeitig seien die Auswirkungen auf den restlichen Verkehr gering: So verlängere sich die maximale Fahrzeit für Busse um 9 Sekunden, jene für übrige Fahrzeuge um 11 Sekunden.

Zudem befolgten Fussgänger dank der neuen Ampelschaltung mit einer um 13 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit die Verkehrsregeln.

TfL sieht sich einer Vision Zero verpflichtet und will die Zahl der im Strassenverkehr getöteten Menschen drastisch reduzieren. Im Jahr 2020 wurden in London 868 Fussgänger getötet oder schwer verletzt, im Jahr 2019 waren es gar 1350 gewesen. Projekte wie die neue Ampelschaltung können helfen, diese Zahl zu senken.

Neben neuen Ampelschaltungen hat London etwa auch Überwege für Fussgänger verbessert und will die Vorrangsampeln für Fussgänger weiter ausbauen. Alleine ist die britische Hauptstadt damit nicht: So stattet etwa die Stadt Helsinki in einem Versuch eine Kreuzung mit Kameras aus, die Autos, Velos und Fussgänger erkennen und diesen automatisch Grün erteilt, wenn es dadurch zu keinen Konflikten kommt. Mit diesem System sollen auch Emissionen gesenkt werden.

Was kommt nach dem 9-Euro-Ticket?

Ende August läuft das 9-Euro-Ticket in Deutschland aus, das zu diesem Preis die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs im ganzen Land ermöglicht. Es war als Teil einer Entlastungsmassnahme der Bundesregierung wegen den hohen Energiepreisen eingeführt worden.

Nun wird über ein mögliches Nachfolge-Angebot spekuliert. Wie spiegel.de diese Woche berichtete, habe der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) Gefallen an einer solchen gefunden. Ein Nachfolgeangebot sei demnach Ende des Jahres oder Anfang 2023 möglich. Anfang November sollen Daten vorliegen, die für die Bewertung eine solchen herangezogen werden können. Diese sollen etwa Aufschluss darüber geben, welche Rolle der Preis, das einfache Handling oder die deutschlandweite Geltung spielen.

Bereits wurden mehrere Varianten einer Nachfolgelösung vorgeschlagen – etwa ein Jahresticket für 365 Euro oder ein Monatsticket für 69 Euro. Knackpunkt für alle Angebote dürfte die Finanzierung sein: Das 9-Euro-Ticket wird vom Bund mit 2,5 Milliarden Euro bezuschusst – für drei Monate.

Wissing bezeichnete das Ticket trotzdem als «Riesenerfolg». Der öffentliche Nahverkehr sei dadurch ein Stück digitaler, einfacher und mehr auf Fahrgäste ausgerichtet geworden. Genutzt wird das Angebot von 31 Millionen Menschen, darunter vielen Berufspendlern, aber auch Tagesausflüglern.

An diesen Nachfolgeangeboten gibt es aber auch Kritik. «Alle Subventionen, die Verkehr billiger machen, tragen zu mehr Verkehr bei», schreibt die «Zeit» in einer Analyse. «Dabei schädigt auch ein Bus das Klima, selbst ein Elektrobus.» Zudem würden alle Nachfolgeangebot ein Loch in die Einnahmen des öffentlichen Nahverkehrs reissen, das dann mit viel Steuergeld gestopft werden müsse. Das berge die Gefahr, dass dieser allen Versprechungen zum Trotz eher schlechter statt besser werde. Die Zeitung schlägt vor, stattdessen alle bestehenden Förderungen wie E-Auto-Prämie oder Dienstwagenprivileg abzuschaffen und in den Preisen die wahren Kosten sichtbar zu machen.

Verpassen kanadische Städte die Verkehrswende?

«Build back better»: So lautete das Motto vieler Städte während der Covid-Krise. Auf dem Höhepunkt, als deutlich weniger Verkehr unterwegs war, bauten viele ihre Plätze und Strassen um und räumten Fussgängern und Velofahrern mehr Platz ein. Von einem Wendepunkt für die Schaffung lebenswerter Städte war mancherorts die Rede.

Doch nicht überall hatten diese hehren Pläne Bestand. Exemplarisch dafür stehen verschiedene kanadische Städte. «Die hochfliegenden Pläne wurden nur langsam in die Realität umgesetzt», schreibt das Portal «The Globe and Mail» in einer Analyse.

Einige Städte hätten Massnahmen bewusst nur zeitlich befristet umgesetzt, in anderen seien selbst populäre Ideen aus Angst vor Beschwerden nicht umgesetzt worden. «Kanadische Städte waren sehr langsam und ziemlich zaghaft», sagt etwa Brent Toderian, Stadtberater und ehemaliger Planungsdirektor von Vancouver.

Als Beispiel für den langsamen Wandel nennt der Artikel Winnipeg. Die Stadt hatte eigentlich schon Erfahrung mit verkehrsberuhigenden Massnahmen, denn jeden Sommer wird der Durchgangsverkehr auf ein paar Strassen verboten, um Plätze für Fussgänger und Velofahrer zu schaffen. Im ersten Sommer der Krise wurde das Programm ausgeweitet. Es durfte danach aber nicht dauerhaft eingeführt werden: Nach dem Gesetz der zuständigen Provinz ist es nicht erlaubt, auf der Fahrbahn einer Strasse zu gehen, die ein Trottoir hat.

Eine Bereitschaft, das Gesetz zu ändern, gab es nicht. Fussgänger müssen nun weiterhin auf die Trottoirs ausweichen.

Auch in Vancouver hielt der Versuch, die Strassen im Stanley Park für den Autoverkehr zu sperren, nur wenige Monate lang. Das Programm von Toronto für offene Strassen wiederum war zwar dank der Umwandlung einer Hauptverkehrsader sehr beliebt, doch der Stadtrat will wegen Kritik von Autofahrern nun doch zurück krebsen. Immerhin, sagt Toderian: «Es bleibt noch Zeit».

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