Weitere Verzögerung für Stuttgart 21 // Union kämpft gegen Verbrenner-Verbot // Sind Parkplätze die «widersinnigsten Orte»?

Der Kopfbahnhof in Stuttgart bleibt länger als geplant. Bild: Christian Lue/Unsplash

Stuttgart 21 wird nochmals ein Jahr später eröffnet als geplant. Für die Schweiz ist das eine gute Nachricht. Ausserdem im Blick aufs Ausland mit Links zu spannenden Geschichten: Die deutsche Union will das Verbrenner-Aus ab 2035 wieder kippen – und ein Stadtgeograf sagt, warum Parkplätze die widersinnigsten Orte in einer Stadt sind.

von Stefan Ehrbar
14. Juni 2024

Weitere Verzögerung für Stuttgart 21

Der unterirdische Durchgangsbahnhof in Stuttgart mit seinen neuen Zulaufstrecken wird noch einmal später eröffnet als bisher gedacht. Die Deutsche Bahn (DB) hat den Eröffnungstermin auf frühestens Dezember 2026 verlegt.

Das berichtete diese Woche das deutsche Nachrichtenmagazin «Der Spiegel». Bisher war man davon ausgegangen, dass Stuttgart 21 Ende nächstes Jahr in Betrieb gehen soll.

Zu Baubeginn im Jahr 2010 wurde noch eine Inbetriebnahme im Jahr 2019 angepeilt. Damals ging die Bauherrschaft von Kosten in der Höhe von rund drei Milliarden Euro aus. Mittlerweile werden die Baukosten auf elf Milliarden Euro geschätzt. Wie es im Artikel heisst, dürften diese Kosten aber weiter auf 12 Milliarden Euro oder mehr steigen.

Die abermalige Verzögerung liegt demnach auch daran, dass die Pläne für eine stufenweise Inbetriebnahme nicht weiter umgesetzt werden. Zuvor kursierten Überlegungen, wonach mit einem provisorischen Stellwerk ein erster Teil von Stuttgart 21 hätte eröffnet werden können, während der Kopfbahnhof im Jahr 2025 weiterhin angefahren worden wäre.

Das wird nun sowieso der Fall sein. Die Pläne der «Pseudo-Inbetriebnahme», wie sie das Magazin nennt, werden wegen den hohen Kosten und wegen Planungs- und Lieferschwierigkeiten nämlich nicht umgesetzt.

Für Bahnreisende aus der Schweiz ist die Verzögerung eine gute Nachricht. Denn sobald Stuttgart 21 in Betrieb ist, soll die Zufahrt für die Intercity-Züge aus Zürich nach Stuttgart über die Gäubahn nicht mehr möglich sein. Denn die Stadt Stuttgart will die Fläche des Kopfbahnhofs nutzen, um dort Wohnungen zu erstellen. Ab dann sollen die Züge aus der Schweiz im Vorort Vaihingen enden, von wo Reisende auf S-Bahnen umsteigen müssen. Gegen die Kappung der Gäubahn hat allerdings die Deutsche Umwelthilfe geklagt, denn eine alternative Anbindung dürfte erst Jahre später erfolgen, wenn der sogenannte Pfaffensteigtunnel gebaut wird.

Bei der DB nehmen laut dem Artikel die Sorgen zu, dass die Klage erfolgreich sein könnte.

«Im Extremfall könnte das Eisenbahn-Bundesamt der Bahn die Abnabelung der Gäubahn vom alten Kopfbahnhof untersagen», heisst es. «Bahn und Bund hätten dann wohl rund 12 Milliarden Euro in Stuttgarts Boden vergraben. Und das, ohne den Kopfbahnhof ausser Betrieb nehmen zu dürfen.»

Union kämpft gegen Verbrenner-Aus

Die deutsche Union – also die Koalition der Parteien CDU und CSU – ist gerade als Siegerin aus den deutschen Europawahlen hervorgegangen und ist mit einem Wähleranteil von 30 Prozent die mit Abstand wählerstärkste Partei geworden. Für die Verkehrswende ist das nicht zwingend eine gute Nachricht.

Denn zumindest im Inland will die Union das ab 2035 geplante Verbot von Neuzulassungen von Verbrenner-Autos auf der Stufe der Europäischen Union (EU) bekämpfen. Das berichtete diese Woche das Portal tagesschau.de. Der verkehrspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Thomas Bareiss sagte demnach, Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) und die herrschende Ampel-Regierung mit FDP, Grünen und SPD müssten dafür sorgen, dass die Zukunft des «klimafreundlichen» Verbrennungsmotors langfristig gesichert werde.

Dies solle ohne Enddatum geschehen, heisst es in einem Antrag der Bundestags-Fraktion. Das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten haben sich eigentlich auf ein Verbrenner-Aus ab 2035 geeinigt.

Konkret dürfen ab dann keine Neuwagen, die CO2-Emissionen verursachen, mehr neu zugelassen werden. Bereits in Verkehr gesetzt Verbrenner-Fahrzeuge sind davon also nicht betroffen. Ausnahmen könnte es auch für sogenannte E-Fuels geben.

«EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sagte am Montag zum Verbrenner-Ausstieg, dass sie weiter auf Technologieoffenheit und Pragmatismus setzen wolle», heisst es im Artikel. «Damit deutete sie an, dass es bald einen konkreten Vorschlag geben könnte, wie das bereits beschlossene Aus für Verbrennermotoren verhindert werden könnte.»

Hinter dem Einsatz für Verbrennungsmotoren dürfte auch die Sorge um die deutsche Autoindustrie stecken, die in Sachen Elektromobilität zuletzt gegen Konkurrenz aus China kämpfte und weniger Elektroautos verkaufte als prognostiziert. Bei Verbrenner-Fahrzeugen hingegen gelten die deutschen Autohersteller als führend.

Sind Parkplätze widersinnige Orte?

Viele Städte kämpfen mit Lärm und knappen Platzverhältnissen – und wollen Probleme lösen, indem sie den Autoverkehr reduzieren und Parkplätze aufheben. Denn diese beanspruchen viel öffentlichen Raum, der auch für Velo- oder Fusswege oder den ÖV genutzt werden könnte.

Gleichzeitig sind Parkplätze oft versiegelte Flächen, die sich im Sommer stark aufheizen. Das ist problematisch, weil der Klimawandel sowieso schon für wärmere Temperaturen sorgt, die auch gesundheitlich problematisch sein können.

Doch wie können Städte darauf reagieren? Dieser Frage ist das deutsche Portal utopia.de nachgegangen. Es hat den Stadtgeografen und Zukunftsforscher Stefan Carsten befragt.

Carsten entwickelt Leitfäden für eine Veränderung der Mobilität etwa zugunsten von Städten und berät auch das deutsche Bundesverkehrsministerium zu seiner Strategie für den Öffentlichen Nahverkehr. Er war von 1997 bis 2013 Projektleiter der Zukunfts- und Umweltforschung der Daimler AG und bis 2014 Gastprofessor an der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig.

Massive Emissionen, die die Luft verschmutzten, seien die grössten Probleme deutscher Städte, sagt er im Interview. Hinzu würden Lärmemissionen kommen. Die zusätzliche Verkehrsbelastung führe zu Toten und Schwerverletzten. Auch seien die deutschen Städte immer noch an den Bedürfnissen von Männern und einer industriellen Gesellschaft ausgerichtet.

Es gebe aber einen roten Faden, der bei Veränderungen weiterhelfe. «Das ist die Neubewertung des öffentlichen Raumes und gleichzeitig dessen Umgestaltung. Der öffentliche Raum ist der Dreh- und Angelpunkt unserer Idee der europäischen Stadt, dort bewegen wir uns, dort artikulieren, demonstrieren und leben wir.» In Deutschland seien aber zwischen 50 und 60 Prozent des öffentlichen Raums für das Auto reserviert, sei es über Strassen oder Parkplätze.

«Das heisst, diese Grundidee der europäischen Stadt ist obsolet, denn wir können den öffentlichen Raum so nicht ausleben. Nur einmal im Jahr dürfen wir ein öffentliches Strassenfest feiern und die Autos bleiben aussen vor», so Carsten.

«Wenn wir den öffentlichen Raum verändern und ihn für Fussgänger, für Fahrradfahrer und für den ÖPNV – also für uns Menschen und für nachhaltige Mobilität – umbauen und wenn wir den öffentlichen Raum zu Kommunikationsräumen umgestalten, dann bekommen wir die Emissionen und den Lärm in Griff. Wir können dort dann auch erfolgreicher unternehmerisch handeln.» Der Einzelhandel etwa profitiere von solchen Umgestaltungen und von jedem neuen Velo-Parkplatz. Zudem würden damit öffentliche Räume geschaffen, die auch für Frauen und Kinder funktionierten.

Auch in Sachen Klima sei dies der richtige Weg. «Die Entsiegelung von versiegelten Flächen und Parkplätzen ist entscheidend. Wenn ich durch unsere Städte laufe, bin ich entsetzt, was wir für monofunktionale Gebiete haben, wo einfach Beton ausgeschüttet und gesagt wurde, das ist ein Parkplatz», sagt der Forscher. «Der ineffizienteste, toteste und widersinnigste Ort, den sich eine Stadt heute überhaupt leisten kann.»

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