Der Online-Händler Amazon hatte ein ehrgeiziges Klimaziel für seine Versandsparte. Das hat er jetzt kassiert. Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: Rabatte für den E-Bike-Kauf helfen bei der Vermeidung von Autofahrten – und die zweite Münchner Stammstrecke steht auf der Kippe.
von Stefan Ehrbar
2. Juni 2023
Amazon streicht Klimaziel der Versandsparte
Der Online-Händler Amazon hat das Ziel aufgegeben, mit seiner Versandsparte bis ins Jahr 2030 das Ziel von Netto Null Emissionen zu erreichen. Das hat der Internetriese aus den USA diese Woche bekannt gegeben.
Ein separates und «enger gefasstes «Shipment Zero»-Ziel» für die Versandsparte sei neben den Zielen für den ganzen Konzern nicht sinnvoll, heisst es in einem Statement. Deshalb habe sich Amazon zur Abschaffung entschieden. Amazon habe sich im Rahmen des Engagements für «The Climate Pledge» zu umfangreichen Anstrengungen verpflichtet, um die Dekarbonisierung zu erreichen und Innovationen im Klima-Bereich zu unterstützen.
Das Unternehmen konzentriere sich deshalb auf das Ziel, bis im Jahr 2040 – also zehn Jahre später – CO2-frei zu werden. Dazu gehöre die Versorgung mit ausschliesslich erneuerbarer Energie, der Transport ausschliesslich mit Elektrofahrzeugen und alternativen Kraftstoffen, die Verwendung geeigneter Baumaterialien oder die Reduktion von Verpackungsmüll.
Die Ankündigung des Unternehmens stiess auf heftige Kritik, wie das Portal heise.de berichtet. Es sei nun fraglich, wie der Konzern das Ziel von Netto Null per 2040 erreichen wolle und ob er seine Versprechen einhalten werde.
Das Portal zitiert den Investigativjournalisten Will Evans, der den Schritt von Amazon kritisiert. In Zeiten, in denen viele Firmen vage Versprechen zu Zwischenzielen machten, seien Ziele wie das nun aufgegebene «Shipment Zero» wichtig, schreibt er auf Twitter. Laut Evans gibt es auch Kritik von Amazon-Mitarbeitenden an der schleppenden Umsetzung der Klimaziele. Zudem unterschätze der Konzern seine Emissionen.
«Über die Klimazusagen grosser Konzerne gibt es regelmässig Auseinandersetzungen. Es bleibt fraglich, wie ernsthaft die Ziele sind oder ob sie sich um eine Form des Greenwashings handeln, also Umweltversprechen als PR-Masche», schreibt das Portal.
Dazu verweist es auch auf Ericsson. Der Netzwerkausrüster will bis 2040 klimaneutral arbeiten und hat seine Ziele bisher eingehalten. Wie es nach 2030 aber weitergehen soll auf diesem Weg, ist laut dem Artikel unklar. Denn insbesondere Zulieferer müssten ab dann auch Reduktionsziele erreichen.
In der Schweiz wirbt etwa die Swisscom damit, dass ihre Abos «CO2-neutral» seien, was sich auf den Strom für den Betrieb der Netze bezieht. Die meisten Emissionen im Mobilfunk fallen allerdings bei der Produktion der Geräte an.
Amazon unterhält in vielen Ländern eine eigene Zustellflotte mit Lastwagen und Lieferwagen, allerdings nicht in der Schweiz. Zum Konzern gehört zudem eine Frachtairline, die derzeit aus 91 Flugzeugen besteht. In Europa betreibt Amazon Air ein Drehkreuz auf dem deutschen Flughafen Leipzig/Halle.
Wechseln Menschen dank Rabatten aufs E-Bike?
Die kanadische Metropole Vancouver hat diese Woche ein Rabattprogramm für E-Bikes im Umfang von 6 Millionen US-Dollar lanciert. Je nach Einkommen wird der Kauf eines neuen E-Bikes mit bis zu 1400 Dollar bezuschusst.
Davon können laut einem Artikel der «Vancouver Sun» etwa 9000 Personen profitieren. Doch steigen Menschen dank einem billigeren E-Bike auch tatsächlich vom Auto aufs Zweirad um? Diese Frage beantwortet der Artikel anhand von Forschungsergebnissen der University of British Columbia (UBC).
Wissenschaftler des UBC Research on Active Transportation Lab (REACT) weisen laut dem Artikel darauf hin, dass bestehende Forschungsergebnisse vor allem aus Europa zeigen, dass E-Bikes Autofahrten ersetzen und den Kohlenstoffausstoss verringern können.
Jede zusätzliche Nutzung eines E-Bikes führt demnach zu einer Verringerung der mit dem Auto zurückgelegten Kilometer um etwa 2000 Kilometer pro Jahr, was eine Nettoverringerung der Kohlendioxidemissionen um 460 Kilogramm pro Jahr und einen Nettozuwachs an körperlicher Betätigung von 21 Minuten pro Woche bedeutet.
Die Forscher haben nun ein Programm genauer untersucht, das 380 Einwohnern der nahe gelegenen Gemeinde Saanich Anreize für den Kauf von E-Bikes in drei Einkommensstufen bot, wobei 1600 Dollar für das niedrigste Einkommen zur Verfügung standen. Die Untersuchung ist zwar noch nicht ganz abgeschlossen, die vorläufigen Ergebnisse zeigen aber laut dem Artikel, dass es zu einer Verlagerung vom Auto auf das E-Bike kam. 30 bis 40 Prozent der E-Bike-Fahrten waren zuvor mit dem Auto zurückgelegt worden. Gleichzeitig sei die Erschwinglichkeit ein Hindernis bei der Anschaffung eines E-Bikes, das mit Rabatten überwunden werden könne.
Der Verkehrsminister der für Vancouver zuständigen Provinz British Columbia, Rob Fleming, sagte, dass die Kosten eines E-Bikes mit 2500 bis 5000 Dollar ein Viertel bis ein Fünftel der Kosten eines Autos betragen und die Kosten für die Wartung und den Austausch der Batterie mit etwa 400 Dollar pro Jahr viel geringer sind als die Kosten für den Betrieb und die Wartung eines Autos mit 8000 Dollar. Die Provinz werde nun genau analysieren, wie das Rabattprogramm wirkt und welche Einkommensschichten davon profitierten.
Zweite Stammstrecke in München gefährdet
Die Münchner S-Bahn platzt aus allen Nähten. Abhilfe schaffen soll die zweite Stammstrecke – ein Ausbauprojekt, das im Kern aus einem parallel zur 1972 eröffneten ersten unterirdischen Stammstrecke verlaufenden Tunnel besteht und die Kapazität steigern soll.
Sieben der insgesamt 11 Kilometer der zweiten Stammstrecke befinden sich im Tunnel. Das Projekt hat eine lange Vorgeschichte: Bereits in den 90er-Jahren wurde es erstmals diskutiert. Im Oktober 2016 wurde eine Finanzierungsvereinbarung zwischen dem Bund, Bayern, der Stadt München und der Deutschen Bahn abgeschlossen.
Ein symbolischer Baubeginn fand im Frühling 2017 statt. Damals gingen die Initiatoren von einer Eröffnung im Jahr 2028 und Baukosten von etwa 3,8 Milliarden Euro inklusive eines stattlichen Risikopuffers aus. Doch daraus wird nichts.
Im Herbst 2022 gab die Deutsche Bahn einen neuen Kosten- und Zeitplan bekannt. Die Eröffnung wurde auf 2035 verschoben, die Kosten auf neu 7 Milliarden Euro inklusive eines Puffers von 1,5 Milliarden Euro veranschlagt.
Auch diese Planung ist mittlerweile überholt. Derzeit wird mit einer Eröffnung im Jahr 2037 und Kosten von 7,2 Milliarden Euro oder mehr gerechnet. Wie es zu diesem Planungsdesaster kommen konnte, klärt derzeit ein Untersuchungsausschuss des Bayrischen Landtags. Doch dem Projekt droht noch gröberer Ärger, wie diese Woche die «Abendzeitung» berichtete.
Denn der deutsche Bund übernimmt mit 60 Prozent der Kosten den Löwenanteil. Allerdings steht diese Beteiligung auf der Kippe, weil der Bundestag ihr zustimmen muss. Und der hat nun seinen Haushaltsausschuss mit einer Prüfung des Projekts beauftragt.
Eine sogenannte Nutzen-Kosten-Untersuchung, die den Nutzen für die Gesellschaft in Relation zu den Kosten setzen soll, kam 2017 – und damit vor den Kostensteigerungen – auf einen Faktor von 1,05. Das ist äusserst knapp, denn in Deutschland sind generell nur Projekte mit einem Faktor von über 1,0 durch den Bund förderfähig.
Mit den Kostensteigerungen könnte der Faktor schnell unter 1,0 fallen. Und Jürgen Baumgärtner (CSU), der stellvertretende Vorsitzende des Untersuchungsausschusses im Landtag, rechnet laut der Zeitung mittlerweile gar mit Kosten von 14 Milliarden Euro.
Auch der Bundesrechnungshof hat laut dem Artikel Zweifel an der Wirtschaftlichkeit des Vorhabens. Diese formulierte er bereits vor fünf Jahren, die betreffenden Dokumente wurden dem Haushaltsausschuss des Bundestags allerdings erst kürzlich zugeleitet.
«Der Haushaltsausschuss hat das Bundesverkehrsministerium angehalten, die aktuelle Prognose zur Kostenentwicklung dem Parlament vorzulegen», sagt die Münchner Bundestagsabgeordnete Jamila Schäfer (Grüne). Die NKU soll nun noch einmal korrekt und aktuell berechnet werden. Damit steht allerdings die Förderung des Bundes auf der Kippe – und mit ihr womöglich das ganze Projekt. Sogar Rückforderungsanträge könnte der Bund dann möglicherweise gegenüber Bayern geltend machen.
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