Deutschland macht grosse Ankündigungen zum Schienenverkehr in Europa – aber kommt da noch mehr? Dem geht eine Analyse nach. Ausserdem im Blick aufs Ausland: Ein prominenter Branchenvertreter sieht gute Zeiten auf die Luftfahrt zukommen, und wenige Autos verbrauchen zu viel Platz.
von Stefan Ehrbar
22. Mai 2021
Die Probleme der Schienenoffensive
Am «Schienengipfel» von dieser Woche hat der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) Grosses angekündigt. Sein Konzept des «Trans Europ-Express 2.0» hat er unter anderem durch das Zürcher Büro SMA + Partner AG noch einmal ausbauen lassen und weitere Züge vorgestellt, die schon in wenigen Jahren quer durch Europa fahren sollen. Dazu gehört etwa ein Direktzug Brüssel-Luxemburg-Basel-Bern-Mailand, aber auch neue Nachtzüge, etwa von Zürich nach Madrid (Mobimag berichtete).
Menschen in ganz Europa sollen für das Zugfahren begeistert werden und vom Flugzeug auf die Bahn umsteigen, sagte Scheuer. Ein wesentlicher Aspekt davon ist ein einheitlicher Takt in ganz Europa. «Es soll schnell, direkt und ohne Umsteigen gehen», sagte Scheuer. Es passt zeitlich gut, dass die EU das Jahr 2021 zum «Jahr der Schiene» ausgerufen hat. Doch wie realistisch sind die Pläne? Dieser Frage geht die «Zeit» in einer Analyse nach.
«Nicht nur die Visionen sind gross, auch die Unklarheiten», heisst es im Text. Der Bundestagsabgeordnete Matthias Gastel von den Grünen spricht etwa von einem «Gipfel der Ankündigungen». Scheuer sei ein «Meister unkonkreter Ankündigungen».
Theoretisch stünden die Chancen für eine europaweite Schienenoffensive zwar nicht schlecht, analysiert die Wochenzeitung. «Vor der Corona-Pandemie meldete die Deutsche Bahn Fahrgastrekorde. Mehr Nachtzüge werden von Schienenaktivistinnen schon lange gefordert. Und die EU-Länder scheinen sich einig, den Schienenverkehr besser abstimmen zu wollen. Doch werden die Passagiere darauf warten wollen?»
Damit der Zug eine echte Alternative zum Fliegen werde, spiele die Reisezeit auf den Strecken ohne Nachtzug eine wichtige Rolle, so die «Zeit», die auf die «magische Grenze» von vier Stunden verweist. «Drüber nehmen die Menschen eher den Flieger, drunter tut es auch die Eisenbahn. Für Letzteres braucht es wiederum mehr ausgebaute Strecken für schnelle Züge.»
Zwar seien auf einigen Strecken Investitionen getätigt worden, etwa zwischen Zürich und München. Die Reisedauer zwischen den beiden Städten beträgt ab Dezember nur noch dreieinhalb Stunden. Anderswo aber, etwa beim neuen Prestigeprojekt Via Vindobona, das für Reisezeiten von nur vier Stunden auf der Achse Berlin – Prag – Wien sorgen soll, seien noch milliardenschwere Investitionen nötig.
Selbst in einem optimistischen Fall dürften die Bauarbeiten auf dieser Strecke nicht vor Mitte der 30er-Jahre beendet sein. Deutschland gehe das grundsätzliche Problem nicht an, dass der Projektstau aus der Vergangenheit aufgelöst werden und in Zukunft vermieden werden müsse. So würden etwa Verbesserungen bei der Bahn erst geplant, wenn die Finanzierung sichergestellt sei. Das sei bei der Strasseninfrastruktur anders. Und selbst kleinere Probleme wie die Buchbarkeit internationaler Tickets seien noch nicht zufriedenstellend gelöst.
Dufry-Chef rechnet mit Rückkehr der Business-Flüge
Der Chef des Duty-free-Shop-Betreibers Dufry, Julián Díaz, blickt optimistisch in die Zukunft. Der Basler Konzern ist die Nummer eins im weltweiten Geschäft mit Duty-free-Geschäften, die vor allem an Flughäfen stehen. Mittlerweile sind laut der NZZ wieder über 1400 Dufry-Geschäfte geöffnet, was rund 70 Prozent der Verkaufskapazität vor der Krise entspricht.
Im Gespräch mit der Zeitung sagt Díaz, dass die Reiselust in Ländern wie den USA, Grossbritannien, Zentralamerika oder der Karibik, wo Reisebeschränkungen gelockert wurden, zurückkehre. Das vergangene Wochenende sei das Beste seit Beginn der Pandemie gewesen.
Zurzeit wachse Dufry vor allem dank dem Geschäft in den USA. In Asien hingegen gibt es noch viele Reisebeschränkungen. Doch die Situation werde sich schnell erholen, glaubt der Dufry-Chef. Sobald die Restriktionen fielen, sei mit einer raschen Rückkehr der Reisetätigkeit zu rechnen. Das zeige sich am Geschäft in Destinationen, die wieder geöffnet seien, aber auch in Umfragen.
Der internationale Airline-Verband IATA rechnet, dass die Branche frühestens 2024 das Vorkrisenniveau erreichen wird. Zudem ist unklar, ob die für Dufry wichtigen Geschäftsreisenden – sie sind für einen Fünftel des Umsatzes des Konzerns verantwortlich – zurückkehren. Schliesslich könnten Firmen realisiert haben, dass sich viele Sitzungen auch nach der Pandemie virtuell abhalten lassen.
Damit rechnet Díaz nicht. «Es wird etwas länger dauern als bei privaten Reisen, doch Geschäftsreisen werden sich wieder vollständig erholen», sagt er der NZZ. Ein Unternehmen lasse sich nicht längere Zeit via Videokonferenzen führen.
Das Platzproblem Parkplatz
«It’s the Parking, Stupid!»: So titelt die österreichische Zeitung «Der Standard» eine Analyse zum öffentlichen Raum und seiner Nutzung als Parkplatz in Städten.
Die Stadt Wien will bis ins Jahr 2040 klimaneutral werden. Die CO2-Emissionen des Verkehrs und die Zahl der mit dem Auto nach Wien pendelnden Menschen soll bis 2030 halbiert werden. Zudem will die Stadtregierung 25’000 neue Bäume pflanzen und versiegelte Flächen aufbrechen. Doch der Platz, um diese Pläne umzusetzen, sei knapp, analysiert die Zeitung. Eine «umfassende und wirksame Parkraumbewirtschaftung» sei essenziell – und genau hier beginne das Problem.
«Obwohl die Wiener Bevölkerung nur 27 Prozent ihrer Wege mit dem Auto fährt, stehen dem Kfz-Verkehr zwei Drittel der Fläche im Strassenraum zur Verfügung, mehr als ein Viertel der Gesamtfläche des Strassenraums sind Pkw-Abstellflächen», heisst es in der Analyse. Ein internationaler Vergleich zeige zudem, dass das Parkieren im öffentlichen Raum in Wien sehr billig sei. In Zürich etwa seien die Gebühren doppelt so hoch, in Amsterdam viermal so hoch, in Stockholm gar sechsmal so hoch.
«Wer Gebühren für das Abstellen von Privat-Pkws im öffentlichen Raum als unfaire Belastung kommentiert, blendet aus, dass es sich um ein privilegiertes Nutzungsrecht für an sich öffentliche Fläche handelt – die auch vielfältig anders genutzt werden könnte», schreibt der Autor. «Wie hoch läge wohl der Marktpreis oder die Zahlungsbereitschaft für ein dauerhaftes Nutzungsrecht von zehn Quadratmetern öffentlicher Fläche in bester Lage direkt vor der Haustüre?».
In der Zeit vor der massiven Zunahme des Autoverkehrs sei das Abstellen privater Gegenstände und Fahrzeuge im öffentlichen Raum verboten gewesen. Mittlerweile sei es überall dort erlaubt, wo es nicht explizit verboten ist. Das führe in Kombination mit niedrigen Preisen dazu, dass Autos massenhaft im öffentlichen Raum abgestellt seien, während in den Parkgaragen viele Plätze frei blieben. Diese «verkehrte Normalität» müsse wieder umgekehrt werden.
Als Vorbild nennt der Autor die Stadt Biel: Dort bekomme die Parkerlaubnis im öffentlichen Raum nur, wer nachweisen könne, dass keine private Abstellmöglichkeit am Wohnort zur Verfügung stehe. In Amsterdam wiederum gebe es Gebühren, die höher würden, je näher man der Innenstadt komme – und die Zahl der Parkkarten werde sukzessive reduziert.
Deshalb brauche es eine konkrete Vereinbarung, wie viele Parkplätze aufgehoben und für andere Zwecke verwendet werden sollen. «Dabei wird, anders als manche behaupten, niemandem etwas weggenommen – denn der öffentliche Raum gehört allen.»
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