Was bringt die Zerschlagung der Deutschen Bahn? // Wie teuer wird Fliegen wegen SAF? // Darum sind Haushalte autolos

Wie stark verteuert die Nachhaltigkeit das Fliegen? Artur Tumasjan/Unsplash

Ein Drittel der Fernverkehrszüge in Deutschland ist unpünktlich, die Infrastruktur oft am Anschlag. Würde eine Zerschlagung der Bahn daran etwas ändern? Ausserdem im wöchentlichen Blick aufs Ausland mit den Links zu spannenden Geschichten: So viel teurer machen synthetische Treibstoffe das Fliegen – und darum sind freiwillig Autolose ein Randphänomen.

von Stefan Ehrbar
12. Mai 2023

Was bringt die Zerschlagung der Deutschen Bahn?

Die Bundestagsfraktion der Union fordert in einem neuen Papier, dass der Konzern der Deutschen Bahn (DB) vom Fernverkehr zu trennen sei. Es ist nicht die einzige Forderung in diese Richtung: Der Bundesrechnungshof will eine Zerschlagung und die Monopolkommission will die Infrastruktur- und Transportsparten der DB strikt trennen.

Davon erhoffen sich die verschiedenen Absender einerseits eine bessere Kontrolle, aber auch mehr Wettbewerb, tiefere Preise und eine Chance, die Probleme der DB zu beheben. Dazu gehört unter anderem die mangelhafte Pünktlichkeit. Etwa jeder dritte Fernverkehrszug der DB ist derzeit mit mehr als sechs Minuten Verspätung unterwegs.

Doch was würde sich mit einer Zerschlagung respektive Aufteilung der DB überhaupt ändern? Dieser Frage ist das Portal watson.de nachgegangen und hat dafür Fachleute befragt.

Andreas Knie, Mobilitätsforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) hält wenig von einer Zerschlagung. «Die bringt uns gar nichts, denn die Deutsche Bahn ist bereits aufgespalten, das wäre der völlig falsche Weg», sagt er. Eine Trennung von Infrastruktur und Transport würde die Probleme noch verschärfen.

Knie würde sogar in die andere Richtung gehen. Die DB könne heute keine Systemleistung bieten und sei daher nicht in der Lage, ordentliche Arbeit zu leisten.

«Wir müssen die Bahn also stattdessen wieder reintegrieren. Alles muss wieder aus einem Guss sein, die AGs sollten aufgelöst und alle wieder in einer Bundesbahn zusammengeführt werden, damit endlich gegenüber dem Kunden eine Einheit auftritt und nicht 45 verschiedene Einzel-Einheiten», so Knie.

Ein Bahnbetrieb gehöre zusammen und lasse sich nicht in unterschiedliche Wertschöpfungs-Teile aufteilen und im Wettbewerb optimieren.

Man sehe bereits beim Schienennahverkehr, wo es in Deutschland regelmässig Ausschreibungen gibt, dass zwar eine grosse Bürokratie geschaffen wurde, die Struktur dann aber mit langlaufenden Verträgen sehr unflexibel und starr sei.

In eine ähnliche Richtung zielt Hans-Peter Kleebinder, ein unabhängiger Mobilitätsexperte. Er sieht die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) als Vorbild, wie er im Artikel sagt. Diese seien Innovationsführer in Europa, sowohl bei der Kundenorientierung als auch bei der Digitalisierung der Services und Netze.

«Wir brauchen eine radikale Grundveränderung», wird Kleebinder zitiert. Darunter versteht er «den gemeinsamen Konsens, dass wir uns von einem Autoland zu einem Mobilitätsland entwickeln, in dem für längere Strecken die Schiene eine echte Alternative zum eigenen Auto ist.» Die komplette Bahn-Infrastruktur mit Bahnhöfen, Strecken, Gleisen, Netzen und Hardware müsse massiv ausgebaut werden.

Wie teuer wird Fliegen noch?

Flugreisen waren laut Zahlen des Vergleichsdienstes Comparis im April 35 Prozent teurer als im Vorjahresmonat. Das liege an einer Kombination zwischen Inflation, einem knappen Angebot und einer hohen Nachfrage. 

Die Airline Swiss kommentierte gegenüber dem Portal watson.ch zudem, dass sie weiterhin mit steigenden Preisen rechne, was auch mit Nachhaltigkeitsbemühungen zu tun habe. Denn synthetische Treibstoffe (SAF), die ein mehr oder weniger emissionsfreies Fliegen ermöglichen, sind deutlich teurer als konventionelle. Welchen Einfluss diese SAF auf die Flugpreise haben, hat nun auch die deutsche «Tagesschau» analysiert.

Laut einer Studie von PwC Deutschland und Strategy& würde der Ticketpreis für einen Langstreckenflug von Frankfurt nach Singapur oder von München nach New York im Jahr 2035 etwa um 36 Euro steigen, wenn der Kostenaufschlag für SAF vollständig an die Passagiere weitergegeben würde.

«Nachhaltigeres Fliegen wird in Zukunft hohe Kosten mit sich bringen», wird Dirk Niemeier zitiert, Director bei Strategy&. Es sei aber nur einer von vielen Faktoren, die die Ticketpreise für Verbraucher beeinflussen. Der Einfluss von SAF auf die Kosten der Airlines bleibe nach aktuellen Analysen moderat.

Der Ticketpreis wird auch von Faktoren wie Angebot und Nachfrage, Auslastung der Flüge und Konkurrenz auf bestimmten Strecken beeinflusst. Werden zusätzliche Kosten für Emissionsrechte und Energiesteuern berücksichtigt, prognostizieren die Institute «Royal Netherlands Aerospace Centre» und «SEO Amsterdam Economics» laut dem Artikel, dass der Preis für einen Hin- und Rückflug von Hamburg nach Bangkok über Frankfurt bis zum Jahr 2035 von 815 auf 914 Euro steigen wird.

Vertreter des Europaparlaments und der EU-Staaten haben sich auf eine Regel geeinigt, wonach ab 2025 SAF dem Flugbenzin beigemischt werden müssen. Zunächst soll die Quote bei 2 Prozent liegen und in den Jahren darauf schrittweise erhöht werden. Bis im Jahr 2025 sollen etwa 70 Prozent der Treibstoffe im Flugverkehr nachhaltig sein. Europäische Airlines befürchten allerdings einen Wettbewerbsnachteil, wenn ähnliche Regeln nicht auch für grosse aussereuropäische Airlines wie Emirates, Turkish oder Qatar gelten. Zurzeit liegt der Anteil der SAF noch bei unter einem Prozent.

Die Charakteristika von autofreien Haushalten

Wie charakterisieren sich Haushalte, die kein Auto besitzen? Dieser Frage geht die eben veröffentlichte Studie «Zero-Car Households: Urban, Single, and Low-Income?» von Eva Van Eenoo vom Cosmopolis Centre for Urban Research an der Freien Universität Brüssel nach.

Untersucht wurden die Profile von autofreien Haushalten in der Region Flandern in Belgien, die mit anderen Haushalten verglichen wurden.

Mittels Regressionsanalysen wurden Datensätze untersucht, die Informationen zum Autobesitz, zum sozioökonomischen Status und zur Grösse von Haushalten enthalten. Auf Grundlage einer räumlichen Typologie und des Einkommensdezils wurden diese Haushalte klassifiziert.

Die Ergebnisse zeigen laut der Autorin, dass autofreie Haushalte am unteren Ende der Einkommensverteilung überrepräsentiert sind und dass es sich dabei überwiegend um alleinstehende Menschen handelt. Auch Alleinerziehende sind wegen der finanziellen Belastung, die ein Auto mit sich bringt, öfter autolos. Wer Kinder hat, der hat mit höherer Wahrscheinlichkeit auch ein Auto.

Ob Menschen in städtischen oder ländlichen Umgebungen wohnen und wie gut der ÖV vor Ort ist, ist zwar ebenfalls von Bedeutung, spielt aber gemäss den Ergebnissen eine untergeordnete Rolle. In dieser Untersuchung war der Anteil von autolosen Haushalten sogar in ländlichen und suburbanen Gebieten am höchsten.

Wer einen Master-Abschluss aufweist, lebt mit höherer Wahrscheinlichkeit in einem Haushalt ohne Auto im Vergleich zu Personen mit Bachelor-Abschluss oder Abschluss auf Sekundarstufe. Das könnte laut der Studie daran liegen, dass diese Menschen öfter in zentral gelegenen und mit dem ÖV gut erschlossenen Büros arbeiten und/oder die Möglichkeit zu Homeoffice haben.

Die Studie zeigt: Kein Auto zu besitzen, ist zumindest in Flandern für die meisten keine freiwillige Entscheidung. «Die Haushalte, die bewusst und freiwillig ohne Auto leben, sind eine Minderheit, die jedoch in den Medien sehr präsent und in der Medienberichterstattung sichtbar ist», heisst es dazu. «In Flandern sind autofreie Haushalte ein Phänomen der gebildeten Mittelschicht.»

Besonders, wenn Kinder im Haushalt lebten, sei freiwilliger Autoverzicht eine Ausnahme. «Mitglieder von Null-Auto-Haushalten sind überdurchschnittlich einkommensschwach, gering qualifiziert und oft auch im höherem Alter.»

Eine Verteuerung des Autobesitzes sei deshalb auch unter Gesichtspunkten der Fairness fragwürdig, heisst es in der Diskussion der Resultate. Ausserdem hätten frühere Untersuchungen gezeigt, dass Menschen mit höherem Einkommen mehr Kilometer mit dem Auto zurücklegen und damit mehr zu den Emissionen beitragen.

Eine sinnvolle Art, die Emissionen zu begrenzen, könnte deshalb eine Besteuerung von Autos sein, die das Einkommen und die Art des Fahrzeuges berücksichtigt. So würden nicht einkommensschwache Haushalte überdurchschnittlich bestraft. Zudem gelte es, Städte und Dörfer so zu planen, dass die wichtigsten Institutionen auch zu Fuss oder mit dem Velo erreichbar sind.

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